Fossil-Geschichte 7


Endlich ist der Volks-Computer da, und er ist so schön handlich, weil er nur aus Tastatur besteht. Aber wozu braucht man eigentlich einen Computer?

Der Volks-Computer

Ich hatte euch von der Zeit erzählt, liebe Kinder, als es einerseits Großrechner und andererseits Taschenrechner gab und dazwischen nichts. Das änderte sich, als der "Volks-Computer" auf den Markt kam, abgekürzt VC 20, weil er 20 Zeichen in einer Zeile nebeneinander abbilden konnte. Er bestand eigentlich nur aus einer etwas dick geratenen Tastatur, es gab keine Maus und keinen Monitor. Als Bildschirm musste der Fernseher des Hauses herhalten. Wohl dem, der ein "Arbeitszimmer" und einen zweiten Fernseher hatte! Sonst musste man im Wohnzimmer im Sessel sitzen, vor sich auf dem niedrigen Couchtisch die Tastatur und irgendwo im Blickwinkel des verrenkten Kopfes den Fernseher. Bekanntlich sind Verbindungskabel ja immer zu kurz. Da saß man dann, blockierte das Wohnzimmer und die Leute, die fernsehen wollten, und versuchte, etwas Sinnvolles mit dem Computer zu machen.

Der Gehirninhalt des Volks-Computers war vernachlässigbar, so um die sieben Pfund (3,5 Kilo) Byte. Wie im richtigen Leben ging dafür auch noch der größte Teil für Verwaltung drauf. Aber bald wurde das Gehirn des VC 20 auf 64 Kilobyte aufgebohrt, und das wurde dann - als C 64 - der große Renner weltweit. Und die Entwicklung ging weiter. So gab es den Atari und das Colour Genie, das schon 16 Farben hatte!

Gemeinsam war aber allen Computern noch, dass es zunächst keine Anwender-Programme gab. Beim Einschalten war man gleich in der "Betriebsart" BASIC. Das war erstmal ein Schock: Da hat man jetzt so ein tolles modernes Teil, aber was macht man mit einem Computer ohne Gebrauchsanweisung? Aber bald kam Rettung, und es wuchsen von überall her Computer-Spiele aus dem Boden, und die konnte man sammeln. Bald war Big Mac nicht mehr so prominent wie Pacman.

Aber es gab auch die ewigen Nörgler und Unzufriedenen. Die wollten mit dem Computer unbedingt etwas Sinnvolles anfangen. Aber dafür musste man sich selbst ein Programm schreiben. Das Malprogramm fand in BASIC statt: Man gab die Koordinaten von Punkten ein, die eine Linie bilden oder einen Kreis erzeugen sollten, und man gab die Farbe an, mit der geschlossene Linienzüge ausgefüllt werden sollten. Immerhin konnte man damit schon ein Programm für einen kleinen "Film" schreiben: Ein rotes Haus steht auf einer grünen Wiese, darüber lacht am blauen Himmel die gelbe Sonne. Plötzlich ist es dunkel, die Fenster im Haus werden hell, und der Mond scheint. Dann ist der Mond weg, und es blitzt. Ende! Mehr Arbeitsspeicher ist nicht da. (Da sind heute schon viele, viele Kilobytes mehr beschäftigt, wenn der Monitor nur meldet:WINDOWS WIRD HERUNTERGEFAHREN.)

Die Frage war also: Wozu brauche ich eigentlich einen Computer? Wir haben damals einen Familienrat gehalten und haben keinen Grund gefunden, warum wir einen Computer brauchen. - Dann haben wir einen gekauft, weil doch das Programmieren so viel Spaß macht.

So hat es angefangen. Zum Speichern der vielen tollen selbst erfundenen Programme braucht man natürlich ein Diskettenlaufwerk für Disketten im Format fünfeinviertel Zoll, so schlabbrige Dinger, anderthalb mal so groß wie Bierdeckel. (Die noch größeren und noch schlabbrigeren 8-Zoll-Disketten Marke Pizzaboden waren bis dahin in der Industrie üblich und wurden jetzt langsam unmodern.) Weil das Zeug aber so teuer ist, wird nur ein Einzellaufwerk gekauft. Dann merkt man, das Kopieren von einer Diskette auf die andere dauert ja ewig, wenn man dauernd Quell- und Zieldiskette im Laufwerk auswechseln muss. Also muss ein zweites Laufwerk her. Irgendwann bekommt man ein Amateur-Textverarbeitungsprogramm in die Finger; da kann man dann ja richtige Briefe schreiben. Aber dafür braucht man einen Drucker. Neun-Nadel-Drucker sind der Stand der Technik. (Davon erzähle ich euch ein andermal.) Ein richtiger Monitor muss den tragbaren Fernseher ersetzen. Man braucht auch immer wieder eine Erweiterung für den Arbeitsspeicher, so dass der früher so schön kompakte Computer jetzt mehr und mehr Auswüchse zeigt...

Technisch war das alles noch in der Entwicklung begriffen; aber die Preise waren schon voll ausgereift: Für die oben beschriebene Grundausrüstung gingen leicht ein paar Tausender weg.

Beim nächsten Mal, liebe Kinder, erfahrt ihr, wie die Computer immer besser wurden und immer mehr gekauft wurden, weil sich die Leute inzwischen gute Ausreden ausgedacht hatten, warum sie unbedingt einen Computer brauchen.

Euer Fossil