Fossil-Geschichte 2

Anwendung und Grenzen des Zehnfingersystems sowie eine verschollene Erfindung für das Hantieren mit Zahlen.

Wisst ihr, was ein Rechenschieber ist?

Beim letzten Mal, liebe Kinder, hatte euer Fossil euch erzählt, dass es ein Leben vor dem Taschenrechner gab. Es gab damals kaum Tastaturen, einmal abgesehen von der Schwunghebelei dieser maschinenbautechnischen Wunderwerke, die man damals "Schreibmaschinen" nannte. Auch "Rechenmaschinen" soll es gegeben haben, auf denen man lange Listen von Zahlen mit einer Kurbel zusammenzählte. Weil es aber so gut wie keine Tastaturen gab, wussten die Menschen nicht wohin mit ihren Fingern. Sie rangen verzweifelt die Hände, wenn sie sich im Kopf mit der Lösung einer schwierigen Rechnung abmühten, bis sie eines Tages verblüfft feststellten: Wenn man für jedes Bit in der Rechnung einen Finger einsetzt, dann wird ja alles viel einfacher. Mit anderen Worten: Sie zählten ihre Gedankengänge und die daraus resultierenden Rechnungen an den Fingern mit.

Aber nun wisst ihr ja selbst, dass es Zahlen gibt, die sich nicht so einfach mit zehn Fingern fassen lassen. Das blieb auch den damaligen Menschen nicht verborgen. Also erfanden sie eine sinnreiche Vorrichtung: den Rechenschieber.Nehmen wir an, es gilt, die Zahlen 7 und 5 zu addieren. Dann versagt die herkömmliche Zehn-Finger-Methode. Hier zeigt sich, wie geistreich das Prinzip des Rechenschiebers funktioniert: Wir nehmen einen Meterstab und zählen 7 cm ab. An diese Stelle legen wir den Nullpunkt eines zweiten Meterstabes und lesen auf diesem unter der Markierung 5 cm das Ergebnis auf dem ersten Meterstab ab: 12! Wie man mühelos erkennt, ist dieses Verfahren für beliebig große Zahlen geeignet. Na, und wer von euch kann sagen, wie man mit diesem Rechenschieber zwei Zahlen voneinander abzieht? Richtig, in unserem Beispiel die 5 auf dem einem Meterstab über die 12 auf dem anderen Meterstab legen und bei der Null am oberen Meterstab ablesen.

Bekanntlich gibt es außer den Strichrechnungen auch die Punktrechnungen, also das Malnehmen und das Teilen. Aber auch das ist kein Problem für den Rechenschieber. Man kann genauso rechnen: 7 mal 5. Allerdings müssen dann die Strich-Einteilungen etwas verbogen werden. Der Eingeweihte spricht von logarithmischer Teilung, oder quadratischer oder kubischer oder so. Mit der kubischen Teilung kann man zum Beispiel gleich ablesen, wieviel Kubikmeter eine Kiste hat, wenn man nur eine Kante gemessen hat.

Ein Problem beim Rechenschieber ist, dass er keine Null kennt. Gerade bei großen Zahlen mit vielen Nullen stört das sehr. Man muss deshalb immer schätzen, was wohl ungefähr rauskommt. Damit kommt aber wieder die Eigenverantwortung ins Spiel, und die hat sich nicht immer bewährt. Darum hatten damals viele Leute auch nur einen kleinen Rechenschieber, und den haben sie gar nicht benutzt sondern nur so in die äußere Brusttasche gesteckt, dass man ihn gut sehen konnte. Dann haben alle gedacht, der Mann ist ein Inschenör.

Beim nächsten Mal, liebe Kinder, erzähle ich euch etwas aus der Zeit, als die Bits noch aus Hardware waren.

Euer Fossil